Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

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Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon derguteweka am Mittwoch 10. September 2014, 19:45

Moin,

Ich haett' gern' mal ein Problem, unn zwar:
Wie man schon immer weiss, oder z.b. hier http://inst.eecs.berkeley.edu/~n247/fa07/lectures/L26.pdf schoen lesen und Bilder angucken kann, gibt's bei (Koax)leitungen mit konstanter Laenge frequenzabhaengige Phasenverschiebungen, bzw. Gruppenlaufzeiten, die vom Skineffekt herruehren.
Phasenverschiebung ist also von dem Kaliber:

Phi(w)=C1*sqrt(w)

mit w=Kreisfrequenz "klein Omega". Mit der Konstanten C1 erschlagen wir mal alle Problem mit Einheiten, Vorzeichen, Leitungsbelaegen,etc.

Gruppenlaufzeit ist die negative Ableitung von Phi nach der Frequenz; also irgendwas von dem Kaliber:

Tgrp=C2*1/(2*sqrt(w))

Dieser Apparat wird jetzt bei kleinen w etwas unangenehm, weil beliebig gross, wenn nicht sogar falsch, weil bei niedrigen Frequenzen ja der Skineffekt garnicht so zum tragen kommt...Von Gleichstrom (w=0) will ich garnicht erst anfangen...

Jetzt die Preisfrage: Ab welchen Frequenzen faengt die Sache mit der Wurzel an?
Guck' ich mal bei der wikipedia unter Skin-Effekt nach, dann seh' ich als Eindringtiefe bei 50KHz 0.3mm - heisst das, dass dann bei z.b. einem Innenleiterdurchmesser von 0.6mm (Ich nehm' mal ein RG59 mit 75Ohm, weil's grad' rumfliegt :mrgreen: ) tatsaechlich schon ab 50KHz diese Gruppenlaufzeit(dispersion, denn die tatsaechliche Laufzeit ist ja viel hoeher, aber das kratzt mich grad' nicht) nach der Formel mit der Wurzel berechnet werden kann/muss? Wie sieht's mit dem Aussenleiter aus? Bleibt dann zwischen 0..50KHz die Gruppenlaufzeit konstant? Das waeren ja dann, wenn ich mal von dem Bild auf Folie 8 in obigem Link und 100m Laenge (gelbe Kurve) ausgehe und extrapoliere, so ungefaehr 35nsec bei 50KHz - gegenueber von 1nsec bei 10MHz...Kann das sein?

Ich hab' grad keinen Networkanalyzer, geschweige denn ein Budget dafuer, und ein langes Kabel da, sonst taet' ich's ja mal messen...
Hat wer eine kleine Literaturempfehlung oder so fuer mich?

Gruss
WK
derguteweka
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Re: Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon anders am Donnerstag 11. September 2014, 03:33

dann seh' ich als Eindringtiefe bei 50KHz 0.3mm
Größenordnungsmäßig kommt das hin, wenngleich es nicht gar so schlimm ist, weil die Eindringtiefe ja nicht gleichzeitig die äquivalente Schichtdicke ist.
Letztere entnimmt man am einfachsten einer solchen Tabelle:
$ri1,32.jpg
Das in dem Link diskutierte Belden 8281 ist übrigens ein 75 Ohm Kabel mit einem Innenleiter von knapp 0,8mm.
http://www.belden.com/techdatas/metric/8281.pdf
Wie sieht's mit dem Aussenleiter aus?
Der Widerstand des Aussenleiters steht auch im Datenblatt.
Kompliziert wird die Sache dadurch, dass der Aussenleiter meist kein Rohr ist, sondern ein feindrähtiges Geflecht, und dass der Innenleiter oft nicht homogen ist, sondern aus verzinntem oder versilberten Kupfer oder gar aus Staku besteht.
$ri3,223.jpg

Besonders (versilbertes) Staku, das gut für GHz geeignet ist, sollte man tunlichst nicht mit zu niedrigen Frequenzen betreiben, weil sich dann auch noch der ferromagnetische Kern am Energietransport beteiligt und sogar nichtlineare Verzerrungen (PIM) auftreten können.

Ich habe dir mal ein paar Zeilen kopiert, in der Hoffnung, daß die Begriffe dieser nicht ganz einfachen Materie etwas klarer werden. Ist aus einem älteren Buch und N bedeutet nicht Newton, sondern Neper.
$sr1,225.png
$sr1,226.png
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$sr1,228.png
$sr1,229.png
$sr1,230.png

$sr1,231.png
Weitere Literatur über Dämpfung und Verzerrungen im NF-und TF-Bereich wirst du vermutlich am ehesten bei den Telefönern finden.
$sr1,236.png
$sr1,237.png
$sr1,238.png
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Re: Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon derguteweka am Donnerstag 11. September 2014, 20:53

Moin,

Merci fuer die Scans. Was es mit der Gruppenlaufzeit so auf sich hat, ist mir schon einigermassen klar. Mir gehts eher momentan so um die Groessenordnungen; was "so sein kann" - da fehlt mir das Gefuehl fuer die Plausibilitaet der Daten. Wenn das jetzt groessenordnungsaessig hinhaut mit den 50KHz, ab denen der Zirkus losgeht und auch die Zeiten so ungefaehr passen - dann hilft das schon weiter. Macht halt doch einen Unterschied, ob man bei 100m Leitung 35nsec kompensieren muss (=Skineffekt setzt ca. bei 50Khz ein) oder 350nsec (wenn der Skineffekt schon ab z.b. 500Hz eine Rolle spielen wuerde)...
So 'ne Leitung hat im Vergleich zu "ueblichen" Tiefpassfiltern auch ein komplett anderes Verhalten bei der GLZ; Bei'm Filter wirds eher "beulig" in der GLZ, wenns vom Durchlass- in den Sperrbereich geht; also eher bei hoeheren Frequenzen. Bei der Leitung macht die GLZ eher Faxen, wenns Richtung tiefe Frequenzen geht. Vom Amplitudenfrequenzgang sind sich Leitung und Tiefpass viel aehnlicher...

Gruss
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Re: Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon Erfinderlein am Freitag 12. September 2014, 05:38

Moin ihr zwei,

habt ihr schon mal daran gedacht Datenleitungen umzudrehen, weil diese ewig einseitig betrieben irgendwann zustopfen und langsam werden ?
Aus solchen und anderen Verständnisproblemen wäre eine detailierte Erklärung der Physik des Skineffekts schön.

LG²
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Re: Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon anders am Freitag 12. September 2014, 11:34

Zumindest bei Hohlleitern kann man dieses Problem vermeiden, indem man hin und wieder Bier durchschickt.
Bierleitungen verstopfen ja auch nicht. :sm12:
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Re: Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon Erfinderlein am Freitag 12. September 2014, 15:32

:sm12: Prosit; die sind aber auch rechteckig. Und in Thule konnte man das Bier in kleinen Fässern hindurchrollen. :-)

LG²

(die gewählte Rufnummer ist nicht vergeben! )
Zuletzt geändert von Erfinderlein am Freitag 12. September 2014, 15:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon derguteweka am Freitag 12. September 2014, 19:26

Moin,

Erfinderlein hat geschrieben:Moin ihr zwei,

habt ihr schon mal daran gedacht Datenleitungen umzudrehen, weil diese ewig einseitig betrieben irgendwann zustopfen und langsam werden ?
Aus solchen und anderen Verständnisproblemen wäre eine detailierte Erklärung der Physik des Skineffekts schön.

LG²


Kein Problem, ich kenn' mich ja aus:

<ErklaerBaerMode=on> Das mit den langsamen, verstopften Leitungen gab's nur frueher bei den ersten digitalen Fernsehuebertragungen. Konnte man gut hoeren, wenn schon alle Analogzuschauer gebruellt haben, weil ein Tor fiel; bei den Digitalen dauerte es noch ein bisschen.
Deshalb hatte man auch beim analogen Fernsehen sogar eine Gruppenlaufzeitvorverzerrung gemacht. Und dann auch noch versucht, das untere Seitenband zu unterdruecken, was bis auf einen kleinen Rest ja auch gelang. Wie ungerecht! Und hat ueberhaupt nix genuetzt. Wurde doch alles digital: Dort gibts endlich keine Gruppenlaufzeitvorverzerrung mehr und auch keine Gerechtigkeitsluecke mehr bei den Kanalfiltern auf Sende- und Empfangsseite; sind endlich beides Wurzel-Cosinusfilter.
Dort verwendet man auch, wie allg. bekannt, nur sogenannte harte, gepulste Digitalstrahlung. Die ist zwar total gefaehrlich (Bei DVB-T wird ja bekanntlich COFDM verwendet, was die Abkuerzung ist fuer Caution! - Outrageous f*cking dangerous Modulation), aber die Kabel werden dabei immer wieder freigepustet. Genau um eben zu verhindern, dass die Kabel einseitig abgenutzt werden, in dem man z.B. mehr Nullen als Einsen uebertraegt (Koennte z.B. bei der Uebertragung von Negerkaempfen aus Tunneln leicht passieren), gibts alle moeglichen Tricks: So wird z.B. bei DVB-S in jedem 8. Transportstrompaket das erste Byte vor der Uebertragung invertiert. Das hilft auch, das Ozonloch wieder zu neutralisieren. Ohne weltweite DVB-Satelliten Uebertragungen waere das so schnell nicht wieder repariert gewesen. Jaaaa, ganz genau so verhaelt es sich. Und mit dem Skineffekt ist es genauso, nur umgekehrt. Zweifellos. Jetzt wisst ihr Bescheid. :mrgreen:
<ErklaerBaerMode=off>

Gruss
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Re: Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon Ney am Dienstag 23. Dezember 2014, 15:36

Das Thema ist interessant. Zwar nicht mehr aktuell, aber vielleicht hilft es:
http://www.steudler.ch/kurt/Elektro/Uebt/Ulei.pdf

Kap 3 Leitungskonstanten

Für Dein Kabel berechnest du den Widerstandsbelag (s. Fig. 3.2) entsprechend Koax-Leitung. Das wirst du für die Formel 3-38 brauchen. Für die selbige brauchst du nur noch den Kapazitätsbelag (3-18) => Gruppenlaufzeit
Zuletzt geändert von Ney am Dienstag 23. Dezember 2014, 15:37, insgesamt 1-mal geändert.
Ney
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Re: Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon derguteweka am Freitag 26. Dezember 2014, 15:34

Moin,

Ney hat geschrieben:Das wirst du für die Formel 3-38 brauchen. Für die selbige brauchst du nur noch den Kapazitätsbelag (3-18) => Gruppenlaufzeit


Tja, und da beisst sich die Katze (Hoffentlich nicht Lothars frischgenesene) in den Schwanz...
3-18 ist genauso ein Apparat, wie in meinem Eingangspost beschrieben:
Tgrp=Irgendwas * 1/sqrt(w) (oder vonmiraus auch f statt w)
Und das wird damit eben unangenehm fuer f->0. Wahrscheinlich wird ein Schuh draus, wennm man L' nicht wie in 3-36 vernachlaessigt, und dann auch noch aufsplittet in die beiden Faelle von 3-7... hmpf...
Aber dabei denk' ich - wird nicht viel neues herauskommen, denn die Frequenz nach 3-6 ist sowas im 30-50Khz Bereich.
Damit bleibt die Frage: Muss man bei z.b. 100m Belden8281 oder von mir aus auch RG59 oder sowas in der Art dann tatsaechlich mit einer Laufzeitdispersion von Groessenordnung um 30nsec im Bereich 0..10MHz rechnen?
Und was zusaetzlich dem "gesunden Volkselektrikerempfinden" zuwider laeuft: Dann sind ja hohe Frequenzen im Kabel kuerzer unterwegs als tiefe...?..Hmmm - kann schon sein, aber komisch kommts mir doch vor.

Gruss
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Re: Einsatz des Skineffekts in Koaxleitungen

Neuer Beitragvon Ney am Sonntag 28. Dezember 2014, 14:25

Ich sehe dein Problem nicht. Du solltest am Limit arbeiten, wenn die Frequenz gegen Null tendiert. Das Limit ist dort zu finden, wo die Eindringtiefe gleich der Materialstärke ist. Alles, was darüber hinaus an Material existiert ist bzgl. Berechnung überflüssig ;)
Ney
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